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Risiken bei Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze

Häufig vereinbaren Vertragsparteien in einem Arbeitsverhältnis, dass dieses spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung endet. Möchten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Erreichens des Regelrenteneintrittsalters eine Verlängerung der Vertragslaufzeit vereinbaren, kann der Beendigungszeitpunkt nach § 41 Satz 3 SGB VI gegebenenfalls auch mehrfach hinausgeschoben werden. Unklar war bislang, ob gleichzeitig mit einer derartigen befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auch noch weitere inhaltliche Bedingungen des Arbeitsverhältnisses (z.B. Vergütung, Arbeitszeit) geändert werden können. Zum Teil wird in der juristischen Literatur vertreten, dass eine solche Änderung zu einer Unwirksamkeit der Befristung führt. Das Landesarbeitsgericht Kiel ist mit einer Entscheidung vom 14. Oktober 2021 (Az. 4 Sa 342 öD/20) dieser Rechtsauffassung gefolgt.

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Die Parteien des Rechtsstreits hatten ursprünglich vereinbart, dass ihr Arbeitsverhältnis enden sollte, wenn der Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Regelaltersrente beanspruchen kann. Dieses Regelrentenalter erreichte der Arbeitnehmer im April 2018. Bereits im November des Vorjahres vereinbarten die Parteien, den Beendigungszeitpunkt gemäß § 41 Satz 3 SGB VI auf den April 2019 zu verschieben. Im September 2018 einigte man sich auf ein Verschieben um ein weiteres Jahr bis zum April 2020. Im Rahmen dieser Vereinbarung regelten die Parteien gleichzeitig, dass ab dem Mai 2019 die Arbeitszeit des Arbeitnehmers reduziert werden sollte.

Das Arbeitsgericht Kiel hatte die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Befristung i.S.v. § 41 Satz 3 SGB VI nicht zum April 2018 geendet hat, als unbegründet abgewiesen; das Landesarbeitsgericht Kiel hat der Berufung des Arbeitnehmers hingegen stattgegeben. Nach Ansicht des Gerichts endete das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Vereinbarung vom September 2018 mit Ablauf des April 2020. Die beklagte Arbeitgeberin könne sich nicht auf § 41 Satz 3 SGB VI berufen, da die Parteien nicht nur den Beendigungszeitraum hinausgeschoben, sondern auch den Inhalt des Arbeitsvertrages zeitgleich verändert hätten. Von einem (ggf. auch mehrfachen) Verschieben des Beendigungszeitpunkts des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Gesetzes könne allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn der sonstige Vertragsinhalt unverändert bleibe.

Kontext der Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Kiel hat sich in dem besprochenen Urteil grundsätzlich gegen die Zulässigkeit der gleichzeitigen Änderung der Arbeitsbedingungen zusammen mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ausgesprochen. Einer anderen Auffassung folgt hingegen das Landesarbeitsgericht Stuttgart. Wegen der uneinheitlichen Rechtsprechung bleibt in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abzuwarten.

Tipps für die Praxis:

  • Bis auf weiteres ist Arbeitgeber:innen aufgrund der weiterhin bestehenden Rechtsunsicherheit zu raten, bei einem angestrebten Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nach § 41 Satz 3 SGB VI mit Ausnahme der zu verändernden Laufzeit des Arbeitsvertrages keine weiteren (inhaltlichen) Änderungen der Vertragsbedingungen vorzunehmen.
  • Weitere Änderungen oder Ergänzungen des ursprünglich abgeschlossenen Arbeitsvertrages sollten in einer gesonderten Vereinbarung geregelt werden, die vor oder nach der Vereinbarung zum Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes getroffen wird.
  • Eine rechtssichere Aussage, wieviel Zeit zwischen dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts und der Änderung anderer Arbeitsbedingungen liegen muss, lässt sich mangels einschlägiger Rechtsprechung nicht treffen.
  • Nach außen sollte bei Abschluss einer gesonderten Vereinbarung eindeutig erkennbar sein, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes verknüpft sind und der/die Arbeitnehmer:in bei Vertragsschluss nicht in seiner bzw. ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt war.
  • Zu beachten ist schließlich, dass Arbeitgeber:innen bei Existenz eines Betriebsrats bei einer Weiterbeschäftigung des/der Arbeitnehmers/in über die vereinbarte Altersgrenze hinaus die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG einholen müssen.

Bei individuellen Fragen zu dieser Rechtsprechung und den Auswirkungen im Einzelfall steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Alexander Günzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gern zur Verfügung.