Zeitenwende im Gesellschaftsrecht
Das Herzstück des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) bildet die Anpassung der Vorschriften über die GbR sowie der offenen Handelsgesellschaft (oHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) an moderne Bedürfnisse. Die Neufassung ändert das gesetzliche Leitbild der GbR von einer Gelegenheitsgesellschaft zu einer auf Dauer angelegten rechtsfähigen Personengesellschaft mit eigenen Rechten und Pflichten.
Im Wesentlichen kodifiziert der Gesetzgeber die in Rechtsprechung und Schrifttum in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildeten Entscheidungen. Neu ist, dass auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Zukunft eine Möglichkeit bestehen soll, sich in einem Register zu registrieren. Die umfassenden gesetzlichen Änderungen betreffen nicht nur neu zu gründende Personengesellschaften, sie sind vor allem auch für bereits bestehende Personengesellschaften relevant. Daraus ergibt sich Handlungsbedarf für folgende Konstellationen:
Gesellschaftsform | Handlungsbedarf | Frist |
GbR, oHG, KG | Überarbeitung der Gesellschaftsverträge - sind vertragliche Abweichungen von der künftigen Rechtslage gewünscht? | bis 31.12.2023 |
GbR mit Grundstücksbesitz bzw. mit anderen registrierten Rechten | Berichtigung aller Register, ggf. Vorzug absehbarer Änderungen im Gesellschafterbestand | bis 31.12.2023 |
Verpflichtung der GbR, sich im neuen Gesellschaftsregister einzutragen bei der ersten Rechtsänderung, die eine Änderung von Eintragungen in einem Register erfordert (z.B. Grundbuch) | ab 01.01.2024 |
Bestehende GbRs werden sich zudem mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie sich im neu eingeführten Gesellschaftsregister registrieren sollten:
- Für Grundstücks-GbRs ist keine Frist zur Eintragung in das Gesellschaftsregister vorgesehen. Faktisch kann eine Registrierung im Gesellschaftsregister aber notwendig sein, denn nicht nur der Erwerb von Grundstücken durch eine GbR setzt zukünftig die Eintragung voraus (§ 47 Abs. 2 GBO n. F.). Auch künftige Änderungen des Grundbuchs, die Rechte einer bestehenden Grundstücks-GbR betreffen, setzen eine Eintragung in das Gesellschaftsregister und eine Eintragung der Grundstücks-GbR im Grundbuch voraus (Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB n. F.).
- Die GbR wird umwandlungsfähig. Soll die GbR im Rahmen einer Umstrukturierung an einer Umwandlungsmaßnahme teilnehmen, ist eine vorherige Registrierung der GbR im Gesellschaftsregister erforderlich.
- Eine eingetragene GbR wird zukünftig Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten einzuholen und an das Transparenzregister zu übermitteln haben. Diese erweiterte Publizität ist bei der Entscheidung der Eintragung einer GbR zu bedenken.
Wesentliche Änderungen für die GbR
- Rechtsfähigkeit der GbR (§§ 705 Abs. 2, 740 BGB n. F.) Die Rechtsfähigkeit der GbR ist in der Rechtsprechung anerkannt. Nunmehr wird sie auch gesetzlich verankert: Je nachdem, ob die GbR nach außen auftritt (d.h. am Rechtsverkehr teilnimmt) ist sie nicht rechtsfähige oder rechtsfähige GbR. Nach § 705 Abs. 3 BGB n. F. wird nunmehr sogar bei der unternehmenstragenden GbR das Vorliegen einer rechtsfähigen GbR vermutet. Kurzum: Rechtsfähigkeit ist der Regelfall.
- Vermögen der GbR (§§ 713, 722 BGB n. F.): Ebenfalls gesetzlich klargestellt wird, dass die rechtsfähige GbR Träger ihres Vermögens ist. Die Zwangsvollstreckung findet daher aus einem Titel gegen die Gesellschaft nur in das Vermögen der Gesellschaft statt und nicht in das Vermögen der Gesellschafter.
- Eigenes Gesellschaftsregister für die GbR (§§ 707 ff. BGB n. F.): Das MoPeG sieht die Einführung eines von den Amtsgerichten zu führenden Gesellschaftsregisters für die GbR vor. Es besteht eine „Registrierungswahlfreiheit“. Jedoch ist die Eintragung im Gesellschaftsregister Voraussetzung für die Eintragung und damit ggf. für den Erwerb von bestimmten in öffentlichen Registern einzutragenden Rechten. Dies gilt etwa für Rechte an Grundstücken (§ 47 Abs. 2 GBO n. F.) und als Gesellschafter einer GmbH (§ 40 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.). Als Nebenfolge der Eintragung in das Gesellschaftsregister unterliegt die GbR der Transparenzregisterpublizität. Die GbR wird in Zukunft daher Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten einzuholen und an das Transparenzregister zu übermitteln haben.
- Umwandlungsfähigkeit der GbR: Die GbR wird umwandlungsfähig im Sinne des Umwandlungsgesetz. Es ist der GbR daher nach einer vorherigen Registrierung als sog. eGbR möglich an einer Spaltung, einer Verschmelzung oder einem Formwechsel teilzunehmen, was den Gestaltungsspielraum vergrößert.
Wesentliche Änderungen für die GbR, die auch für Personenhandelsgesellschaften gelten
- Freies Sitzwahlrecht (§ 706 BGB n. F.): Das MoPeG stellt nun klar, dass für alle in Deutschland registrierten Unternehmen (Kapital- und Personengesellschaften) ein freies Sitzwahlrecht unabhängig vom Ort der Eintragung besteht. Dieses freie Sitzwahlrecht ermöglicht es einer deutschen Personengesellschaft, sämtlichen Geschäftstätigkeiten außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets nachzugehen und dennoch eine deutsche Personengesellschaft zu bleiben.
- Firmierung der GbR (§§ 707a, 707b BGB-E): Wird die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen, gilt weitgehend das handelsrechtliche Firmenrecht. Die GbR hat zwingend den Rechtsformzusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ im Rechtverkehr zu führen, ist im Übrigen aber in der Firmierung ebenso frei wie Personenhandelsgesellschaften.
- Stimmkraft und Ergebnisbeteiligung nach Beteiligungsverhältnissen (§ 709 Abs. 3 BGB n. F., § 120 Abs. 1 S. 2 HGB n. F.): Das MoPeG schafft die bisherige Stimmgewichtung und Gewinn- und Verlustverteilung nach Köpfen ab und führt die in der Praxis ohnehin gebräuchliche Regelung ein, dass die Stimmkraft und Ergebnisverteilung vorrangig nach den Beteiligungsverhältnissen zu bestimmen ist. Falls die Gesellschafter eine Abweichung von diesem gesetzlichen Regelfall wünschen, ist für die Zukunft sicherzustellen, dass der Gesellschaftsvertrag abweichende Verteilungsregeln vorsieht.
- Beschlussfassung (§ 714 BGB-E): Die Neufassung sieht erstmals Regelungen zum Beschlussverfahren in der GbR vor und bestätigt auch insofern die gebräuchliche Anwendung der Regeln zu Personenhandelsgesellschaften auf die GbR. Es gilt aber weiterhin, dass im Zweifel Gesellschafterbeschlüsse einstimmig durch alle stimmberechtigten Gesellschafter zu fassen sind, wenn nichts anderes im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.
- Informationsrechte und -pflichten (§ 717 BGB n. F.): Die geschriebenen Informationsrechte der Gesellschafter waren bisher unterentwickelt. Das MoPeG beinhaltet nun eine klare Regelung zu Informationsrechten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, die für die oHG und die PartG die Regelung des § 118 HGB a. F. ablöst. Die Informationsrechte des Kommanditisten sind in § 166 HGB n. F. weiterhin gesondert geregelt. In der Praxis wird hier in Anlehnung an die GmbH zu beachten sein, dass dieses Recht in Gesellschafterverträgen nicht ohne weiteres eingeschränkt werden kann.
- Abfindungsanspruch des Gesellschafters (§ 728 BGB n. F.): Die Gesellschaft hat dem ausgeschiedenen Gesellschafter, wenn nichts anderes vereinbart ist, eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu zahlen. Der Wert des Gesellschaftsanteils ist direkt zu bewerten und nicht wie bisher quotal vom Unternehmenswert abzuleiten. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grenzen von Abweichungen sollen indes weiterhin gelten.
- Statuswechsel (§ 707c BGB n. F.): Der identitätswahrende Wechsel zwischen verschiedenen Formen der Personengesellschaft / Personenhandelsgesellschaft wird vom Umwandlungsgesetz nicht erfasst und ist nunmehr in einem eigenen Verfahren im BGB geregelt. Ein solcher sog. Statuswechsel wird zukünftig aus dem Register ersichtlich sein.
- Nachhaftungsbegrenzung (§ 728b Abs. 1 S. 2 BGB n. F., § 137 Abs. 1 S. 2 HGB n. F.): Eine bedeutsame Änderung im Vergleich zum RegE enthält die Schlussfassung des MoPeG im Hinblick auf die Begrenzung der Nachhaftung. Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet für Schadensersatzansprüche nunmehr nur noch dann, wenn die Pflichtverletzung vor dem Ausscheiden eingetreten ist. Haftungsansprüche, die aufgrund von Pflichtverletzung anderer Mitglieder nach Ausscheiden eines Gesellschafters entstehen, belasten diesen mithin nicht mehr.
Wesentliche Änderungen für Personenhandelsgesellschaften
- Beschlussverfahren (§ 109 HGB n. F.) und Beschlussmängelrecht (§ 110 ff. HGB n. F.): Das MoPeG sieht erstmals Regelungen zum Beschlussverfahren in der Personenhandelsgesellschaft vor. Der Gesetzgeber hat sich zudem entschieden, das Beschlussmängelrecht für Personenhandelsgesellschaften nach dem aktienrechtlichen Anfechtungsmodell zu regeln. Damit folgt der Gesetzgeber der zumindest bei größeren Personenhandelsgesellschaften ohnehin schon gängigen gesellschaftsvertraglichen Gestaltungspraxis und erhöht die Rechtssicherheit.
Um in einer oHG und KG für zusätzliche Rechtssicherheit zu sorgen, sollte das Beschlussverfahren in den Gesellschaftsverträgen detailliert geregelt werden. Insbesondere die Person des Versammlungsleiters sollte festgelegt werden, damit die Zuständigkeit für die Feststellung des Beschlusses klar und die Existenz eines anfechtbaren Beschlusses sichergestellt ist. Bei Einvernehmen der Gesellschafter bleibt ein Verzicht auf die Einhaltung von Formen und Fristen selbstverständlich weiterhin möglich.
Für die GbR (wie auch für die GmbH) hat der Gesetzgeber sich weiterhin bewusst entschieden, formelle Anfechtungsregeln nicht zu kodifizieren. Hier bleiben alle Beteiligten aufgerufen, die Regeln vertraglich zu vereinbaren, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Auch GbR-Gesellschafter können indes freiwillig in ihren Gesellschaftsverträgen auf das neue Beschlussmängelverfahren zurückgreifen. Dies ist insbesondere für GbRs mit vielen Gesellschaftern und damit streitanfälliger Willensbildung von Bedeutung.
- Gewinnermittlung und Gewinnverteilung (§§ 120 ff. HGB n. F.): Die Vorschriften zur Gewinnermittlung und Gewinnverteilung werden neu gefasst. Die geschäftsführenden Gesellschafter sind verpflichtet, den Jahresabschluss aufzustellen. Die Gesellschafter entscheiden durch Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses, wobei – wie bei der GbR – die Anteilsquote maßgeblich für die Gewinn- und Verlustverteilung ist. Der Gesetzgeber geht für die Gewinnauszahlung vom Prinzip der Vollausschüttung aus.
- Informationsrechte der Kommanditisten (§ 166 HGB n. F.): Der Gesetzgeber erweitert die Informationsrechte der Kommanditisten. Diese Informationsrechte können im Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Dies ist bei der Gestaltung der Gesellschaftsverträge zukünftig zu beachten.
Bei Rückfragen zu den einzelnen Änderungen und ihren individuellen Auswirkungen stehen Ihnen unsere Rechtsanwältin/e und Notarin/e Simone Krziwanek, Oliver Merleker, Dr. Christian Volkmann und Dr. Robert Scherzer gern zur Verfügung.